Alltag in Bethel zwischen 1924 und 1949
2.000 Akten von Patienten und Patientinnen, die während der Zeit des Nationalsozialismus in Bethel im Langzeitbereich Epilepsie, in der Behindertenhilfe oder in der Psychiatrie gelebt haben sowie hunderte von Sachakten, die den Untersuchungszeitraum umfassen - das sind die Grundlagen des Forschungsprojekts zum Alltag in Bethel zwischen 1924 und 1949, das von Dr. Uwe Kaminsky von der Ruhruniversität Bochum geleitet wird. Bereits seit den 1980er Jahren wird intensiv zu Bethel im Nationalsozialismus gearbeitet und publiziert. Vor allem das Agieren von Friedrich v. Bodelschwingh, oftmals, zusammen mit leitenden Theologen und Ärzten stand dabei im Vordergrund. Ziel der Untersuchung dieses Projekts der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist es, das administrative Handeln innerhalb der Leitung einer Anstalt, um die Alltagserfahrungen der dort lebenden Menschen zu erweitern. Für das eine sind die Sachakten entscheidend, in denen sich der Schriftwechsel der Anstaltsleitung mit nationalsozialistischen Behörden, die Kommunikation der Theologen untereinander sowie der Kontakt zu den leitenden Ärzten niederschlägt. Für die Erfahrungen der Männer, Frauen und Kinder in Bethel sind die Patientenakten die wichtige Quelle. Die 2.000 Akten wurden ausgewählt über einen Zufallsgenerator und decken rund zehn Prozent der insgesamt für diese Zeit überlieferten Patientenaktenbestände im Hauptarchiv Bethel ab. Anhand von über 150 Items wurde jede Akte akribisch ausgewertet. Die meisten dieser Akten sind ausgesprochen umfangreich. Sie enthalten Schriftwechsel mit den Angehörigen, mit dem Kostenträger und mit Behörden. In einer separat geführten Krankengeschichte werden das Verhalten und die Entwicklung des Patienten oder der Patientin geschildert. Medikationen, Anfallshäufigkeit oder Krankenhausaufenthalte sind hier dokumentiert. Diese Quellen sollen näheren Aufschluss über den Alltag in der Anstalt geben. Das Projekt ist interdisziplinär angelegt, die Medizinerin und Medizinhistorikerin Dr. Marion Hulverscheidt forscht vor allem zu den medizinischen Zusammenhängen bei Epilepsie und psychischen Erkrankungen. Zudem spielt das Leben während der Kriegszeit zwischen Ernährungsengpässen und Luftangriffen sowie die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eine wesentliche Rolle in diesem Forschungsprojekt. Hier gilt es vor allem, die Informationen aus den Sachakten genau wie die aus den Patientenakten inhaltlich aufeinander zu beziehen.