Ophra

Ophra in den 1950er Jahren.

Im Jahr 1890 wurde das Haus Ophra bezogen. Es war zunächst für leicht geistig behinderte Jungen mit einer Epilepsie gedacht. Ophra war das erste Haus in der Senner Zweiganstalt, das nicht aus einer alten Hofstelle entstand, sondern neu erbaut wurde.

Dieses Haus steht beispielhaft dafür, wie Menschen mit Behinderungen durch die rassenpolitischen Ziele des Nationalsozialismus bedroht waren.

Nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ von 1934 wurden in den Betheler Krankenhäusern Nebo und Gilead insgesamt 1.210 (Stand: 2022) Patienten und Patientinnen aus den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel zwangssterilisiert. Insgesamt stammten davon 296 aus Eckardtsheim.

Im Haus Ophra lebten zunächst leicht geistig behinderte Jungen mit einer Epilepsie, 1931.

Ende Oktober 1939, zurückdatiert auf den 1. September 1939, hatte Adolf Hitler den Geheimbefehl erteilt, dass „unheilbar Kranken … der Gnadentod gewährt werden kann“. In Bethel ging man davon aus, dass in Eckardtsheim etwa 107 Menschen von der so genannten Euthanasie betroffen gewesen wären. Aus einer Auflistung geht hervor, dass dazu vor allem die Epilepsiekranken aus Ophra und die psychisch kranken Langzeitpatienten aus Tannenwald und Jericho gezählt hätten. Letztlich hatte Bethel nie eine Aufforderung zum Abtransport von Patienten und Patientinnen erhalten.

Anders sah es mit den jüdischen Patienten und Patientinnen aus. Als am 30. August 1940 das Reichsinnenministerium eine „Verlegung geisteskranker Juden“ angeordnet hatte, war davon auch ein Bewohner des Hauses Ophra betroffen: der 17-jährige Reinhard Beyth. Mit ihm wurden sechs weitere jüdische Patienten und Patientinnen aus den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in der Tötungsanstalt in Brandenburg/ Havel ermordet.

Später zogen im Haus Ophra auch schwerst mehrfach behinderte jüngere Menschen ein.

In den 1950er Jahren wurde das Haus Ophra mehrfach umgebaut und durch Anbauten erweitert. Im Laufe der Jahre lebten in Ophra nicht mehr nur junge Menschen mit Epilepsie und einer leichten geistigen Behinderung, sondern es zogen verstärkt schwerstmehrfach behinderte jüngere Menschen ein. In Ophra gab es noch bis in die 1970er Jahre die so genannten Torfbetten. Diese Betten hatten keine Matratzen, sondern Torf als Grundlage, der nach Einnässen und Einkoten gut beseitigt werden konnte. 1980 wurde das ursprüngliche Pflegehaus umgebaut und 1987 entstand ein Ergänzungsbau. Seit dieser Zeit werden auch Frauen aufgenommen.

Heute steht kein alter Gebäudekomplex mehr. In den Neubauten leben Menschen mit komplexen Behinderungen und Menschen mit herausforderndem Verhalten.