Eckardtsheim historisch
In der westfälischen Senne liegt der kleine Ort Eckardtsheim mit seinen gut 2.000 Einwohnern. Er ist Wohnort, Arbeitsort und historisches Zeugnis sozialer Entwicklungen der letzten 140 Jahre. Einige Häuser und besondere Orte in Eckardtsheim wurden im Rahmen eines Rundganges mit Hinweistafeln ausgestattet, die einen Ausschnitt aus der Geschichte dokumentieren. Ausführlichere Informationen zu diesen Orten finden Sie hier auf dieser Seite.
Auf einen Hof in der Senne zogen arbeits- und obdachlose Wanderer ein: Wilhelmsdorf, die erste Arbeiterkolonie im Deutschen Reich entstand. Die Initiative war von Friedrich von Bodelschwingh (1831-1910) ausgegangen. Er war seit 1872 Leiter der Anstalt Bethel, die im Jahr 1867 am Rand der Stadt Bielefeld ihre Arbeit aufgenommen hatte. Schon kurz nach Gründung der Arbeiterkolonie Wilhelmsdorf wurden in der Senne weitere Höfe und Ländereien angekauft. Die Betheler Arbeitsgebiete Epilepsie und Psychiatrie sollten nun auch in der ländlichen Umgebung der Senne angesiedelt werden. Hier war noch genügend Platz, um die Betheler Arbeit auszudehnen. Auch ganz neue Arbeitsgebiete kamen hinzu. So entstanden die Trinkerfürsorge, die Arbeit mit Fürsorgezöglingen oder die Tbc-Heilbehandlung. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wuchs eine blühende Zweiganstalt heran: die Sennekolonie oder Zweiganstalt in der Senne – wie sie anfangs hieß. Im Februar 1899 ging der Name Eckardtsheim, der schon lange als postalische Bezeichnung genutzt wurde, auf die gesamte Zweiganstalt über.
Eckardtsheim ist ein Geschichtszeugnis besonderer Art. Es steht für den historischen Wandel zahlreicher diakonischer Hilfefelder. Diese Entwicklung lässt sich ganz lebendig an den einzelnen Häusern nachspüren. Keine allgemeine sozial- und gesellschaftspolitische Veränderung, keine Reform, die nicht auch in Eckardtsheim ihre Spuren hinterlassen hätte. Eckardtsheim erlebte eine dynamische Gründungsphase, ging durch Jahre wirtschaftlicher Stabilität genauso wie durch Jahre finanzieller Krisen. Die Anstalt machte zwei Weltkriege mit, und im Nationalsozialismus waren die hier lebenden Menschen durch die Rassenpolitik massiv bedroht. In der allgemeinen Notzeit nach dem Zweiten Weltkrieg kamen neue Arbeitsfelder hinzu. Die Aufbauphase der 1950er/1960er Jahre ließ auch Eckardtsheim erheblich anwachsen. Nach einer Zeit der Stagnation im medizinischen und psychiatrischen Bereich kam seit Anfang der 1970er Jahre ein umfassender Prozess von Umstrukturierung und Professionalisierung ins Rollen. Jahrzehntelang hatte der Gedanke der langfristigen Beheimatung innerhalb der Anstalt die Ausrichtung in Bethel bestimmt. Davon löste man sich zunehmend und setzte auf die Eingliederung der Bewohner und Bewohnerinnen in ihr gewohntes Umfeld. Seit Ende der 1980er Jahre ist die Entwicklung durch Konzepte der Regionalversorgung und der gemeindenahen Ausrichtung von Hilfebereichen gekennzeichnet. So hat sich die Zahl der Plätze in Eckardtsheim stetig verringert. Stattdessen intensivierte Bethel den Aufbau von regionalen teilstationären und stationären Angeboten.
Seit 1964 hatte Eckardtsheim den Status einer Teilanstalt. Nach einer konsequenten Umstrukturierung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel existiert Eckardtsheim seit dem 1. Januar 2002 in seiner ehemaligen Form als Teilanstalt nicht mehr weiter. Die Einrichtungen sind in neu gegründete Stiftungsbereiche der Gesamtanstalt übergegangen. Um aus der Anstalt die Ortschaft weiterzuentwickeln, wurde und wird Wohnbebauung, Gewerbe und Dienstleistung vorangetrieben.
Als diakonisches Gemeinwesen war Eckardtsheim immer christlichen Grundsätzen verpflichtet. Das ist auch heute noch so. In der Vision und den strategischen Entwicklungsschwerpunkten der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel „Gemeinschaft verwirklichen“ heißt es: „Unsere Vision gründet im christlichen Glauben und beruht auf der Achtung der unbedingten Würde jedes einzelnen Menschen als Geschöpf Gottes.“